Wenn das Theater in die Schule kommt ...

Wünsche vom Theater und Tips für die Schule von Stefan Kuntz

Wenn "das Theater in die Schule geht", kann es kleinere oder größere Probleme mit den 'Fremdlingen' geben.

Stefan Kuntz hat eine Wunschliste mit Tips zusammengestellt, die freie Theatergruppen an Schulen richten. Vielleicht hilft sie bei der Vorbereitung auf den Besuch. Wenn's dennoch nicht klappt keine Sorge: Freie Theatergruppen sind sehr flexibel und Meister im Improvisieren; irgendwie klappt's immer.

Kontaktperson zum Theater

An fast jeder Schule gibt es eine Lehrerin oder einen Lehrer, die/der sich besonders für Theater interessiert. Wie wäre es, wenn Sie die/n Kollegen/in als Kontaktperson (sozusagen als Fachreferentin) für Theater benennen?

Die Kinder informieren

Bitte sagen Sie den Kindern, was sie erwartet ("Kein Kasperle"), ohne den Inhalt vorwegzunehmen. Erklären Sie ihnen, was Theater ist, wie Schauspieler ausgebildet werden, wie sie arbeiten, wann die Kinder in Mitspieltheaterstücken mitmachen können und wann sie bei Vorfürtheaterstücken "nur" zuschauen können.

Vorbereitung des Theaterraumes

Oft dient die Turnhalle als Theatersaal, ein wenig gemütlicher und akustisch sehr schwieriger Ort. Vielleicht könnten Sie im Rahmen einer Projektwoche einen Raum als Theatersaal herrichten: Statt der übelriechenden Verdunklungsvorhänge aus Plastik könnten Sie welche aus schwarzem, feuerhemmend imprägniertem Verdunkelungsmolton besorgen, der sogar billiger ist. Der Bühnenhintergrund sollte einfarbig unauffällig gestrichen sein.

Bei einer großen Renovierung könnten Sie statt der Neonröhren Glühlampen und statt des Lichtschalters einen Dimmer einbauen lassen.

Keine Massenveranstaltungen, bitte!

Bitte pferchen Sie nicht zu viele Kinder in die Aufführung. Massenveranstaltungen ab 200 Kinder sind kriminell. Bitte werben Sie bei Eltern, Kollegen, Geldgebern um Verständnis dafür, daß Mitspiel-Theaterproduktionen oft nur mit einer einzigen Klasse durchgeführt werden können, daß aber gerade Mitspiel-Theater die Kinder viel engagierter zurücklassen kann.

Umgang mit Störungen

Sprechen Sie mit den Theatermachern vorher ab, wie Sie sich bei "Störungen" durch einzelne Kinder verhalten sollen. Faustregel: Weitgehend als Lehrer zurückhalten, die Theaterleute sind Randale gewohnt. Wenn aber die berühmten ein, zwei Schüler "mal wieder ausklinken", dann setzen Sie sich "beruhigend" daneben.

Feedback ans Theater

Sagen Sie den Theaterleuten (vielleicht bei einer freundlichen Tasse Kaffee) hinterher wenigstens ganz kurz, was Sie von der Aufführung halten. Seien Sie ehrlich und kritisch. Daß die Kinder begeistert waren, oder daß die Kinder richtiges Zähneputzen gezeigt bekommen haben, dürfen nicht die einzigen Kriterien sein.

Welchen ästhetischen Kriterien genügt die Aufführung?

Technische Vorbedingungen

Wenn Sie (z B. mit Hilfe des Begleitmaterials) eine Nachbereitung machen, wäre die Gruppe sicher dankbar, nicht nur einen Stoß Kinderbilder zu bekommen, sondern auch zu hören, was Sie mit welchem Erfolg getan haben - und die Presseberichte zu erhalten.

Fast jede Theatergruppe wird Ihnen mit den Informationen zum Inhalt der Aufführung auch ein technisches Beiblatt schicken. Da steht dann drauf,

ob ein einfacher Stromanschluß 220 V/15 Amp ausreicht, oder ob ein 380 V Starkstromanschluß benötigt wird,

ob eine Bühne oder Podeste gebraucht werden, oder ob auf dem Boden (mit eigenen Podesten) gespielt wird,

ob Vorhang oder Verdunkelung gebraucht werden,

welche Sitzgelegenheiten: Bänke, Stühle (machen oft Krach), Matten; ob sie sinnvollerweise ansteigend angeordnet sein sollen: erst Matten, dann Turnbänke, dann Stühle, dann Tische, oder ob in Reihen hintereinander oder auch in Hufeisen-Forrn.

Bitte lesen Sie diese technischen Informationen durch und bitten Sie rechtzeitig den Hausmeister oder vielleicht ältere Schüler oder den technischen Dienst der Stadtverwaltung (Ja!) oder wenn's gar nicht anders geht, die lieben Kollegen oder hilfreiche Eltern diese technischen Voraussetzungen vor Ankunft der Gruppe herzustellen.

Die kleinen "Selbstverständlichkeiten"

Das Fahrzeug der Gruppe sollte zum Abladen möglichst nah an die Spielfläche heranfahren können.

Es sollte ein Parkplatz freigehalten werden (für einen Ortsunkundigen ist das Parkplatzsuchen oft sehr schwierig).

Der Zugang zur Spielfläche sollte ebenerdig sein, damit wir zum Transport eine Die Durchgänge müssen so groß und die Türen (mit Keilen) feststellbar sein, daß wir Bühnenbildteile hindurch bekommen. (Keine engen, niedrigen Gänge)

Der Raum soll sauber und geheizt sein (Lachen Sie nicht! Wie oft habe ich an einem Montagmorgen gehört: "Ja, freitags wird hier nicht geputzt!")

Es sollte einen kleinen Raum als Garderobe geben, den Schlüssel zur Toilette und zur Dusche und auch: .. Klopapier! (Jetzt lachen Sie schon wieder: Wie oft mußte ich bis an das andere Ende der SchuIe laufen, um mir im Sekretariat den Schlüssel für die abgeschlossene Lehrertoilette ("Aber gleich zurückbringen!") zu holen.)

Dann muß jemand da sein, der den Sicherungskasten aufschließen kann und der auch die bis dahin versteckten Feuerlöscher an sichtbare Stellen gehängt hat.

Dann sollte wenigstens in dem Theaterspielraum die Schulklingel ausgestellt werden. (Nicht jedes Stück dauert genau 45 Minuten.)

Einige organisatorische Bitten

Theatergruppen vor der ersten Schulstunde telefonisch zu erreichen, ist selten von Erfolg gekrönt.

Hinterlassen Sie auf Anrufbeantwortern Ihre Durchwahlnummer mit den Zeiten, wann Sie erreichbar sind. In jeder Schule ist die "Große Pause" zu einer anderen Zeit.

Schicken Sie den Vertrag rechtzeitig zurück. Wenn er Ihnen "spanisch" vorkommt, dann rufen Sie bitte vorher an. (Der von der IG Medien und dem Bundesverband Freier Theater empfohlene Vertrag mit den AGB's (Bitte klicken Sie hier) (http://www.th-net.de/buft/vertrag.htm und http://www.th-net.de/buft/agb.htm) kann problemlos benutzt werden.)

Informieren Sie Kollegen rechtzeitig, geben Sie Infomaterial weiter.

Hängen Sie die geschickten Plakate auf.

Fünf Arbeitstage vor der Veranstaltung sollten die Presse-Informationen bei den regionalen Zeitungen sein. Bedenken Sie die langen Postwege einer städtischen Poststelle! Zwei Tage vorher sollten Sie einzelne Redakteure noch einmal anrufen. Versuchen Sie allmählich durchzusetzen, daß nicht immer Volontäre aus den Lokalredaktionen kommen ("Die Kinder waren begeistert."), sondern die Feuilletonisten, die auch über die Premier des Stadttheaters berichten ("Kindertheater ist unter meiner Würde!").

Video- und Tonbandaufzeichnungen und Blitzlichtphotos nur nach Absprache.

Bitte die Absprachen über das Alter und die Anzahl der zuschauenden Schüler einhalten. Die Gruppen haben sich was dabei gedacht, wenn sie sagen: "Geeignet für drittes und viertes Schuljahr, maximal für 70 Kinder."

Wenn in die Zeit der Aufführung eine Pause fällt, dann sorgen Sie bitte dafür, daß es in dem Gang vor dem Raum ruhig bleibt und nicht laufend die Tür aufgerissen wird: "Wir haben hier jetzt Musik!"

In manchen Bundesländern, so z B. im Saarland und in Hessen, muß das Stück vom Kultusministerium freigegeben werden. Besorgen Sie bitte rechtzeitig die Genehmigung. Es kann lange dauern, im Saarland z. B. 1 1/2 Jahre! Und auch die eigene Schulbürokratie braucht Zeit, also rechtzeitig planen. Laden Sie Schulräte, Schulleiter aus anderen Schulen, Kollegen aus den Regierungspräsidien und Jugendämtern ein.

Tips zu Finanzen

Viele Gruppen spielen auf Eintrittsbasis, d. h. pro Schüler z.B. 8.- DM. Dabei wird meist eine Mindestsumme vereinbart, d. h. Sie müssen die Summe zahlen, auch wenn eine Klasse plötzlich ausfällt.

Für viele Gruppen ist die "Eintrittsbasis" keine Basis. Theater für Kinder muß genauso subventioniert werden wie Theater für Erwachsene. In den meisten Großstädten wird jede verkaufte Opernkarte mit ca. 140.- DM subventioniert. Sie können bei folgenden Stellen versuchen, Zuschüsse locker zu machen, um feste Gagen von ca. 800 DM bis ca. 4000 DM (50 Kinder mal 140 DM = 7000; DM!) zahlen zu können: Schulamt (Veranlassen Sie den Schulausschuß, daß er im Etat einen festen Posten "Zuschuß Theater in Schulen" einrichtet), Kultur und Jugendamt, Kreisämter und Regierungspräsidien, auch Sparkassen, Krankenkassen, Rotary Club, Elternpflegschaft.

Wenn Sie Geld von den Schülern einsammeln und Barzahlung vereinbart haben, so übergeben Sie das viele Kleingeld gerollt auf einem Zählbrett.

Denken Sie bitte daran, daß Sie je nach Vereinbarung zu dem Honorar noch Nebenkosten zahlen müssen.

Die Tantiemen (meist in Höhe von meist 10 %) müssen an den Verlag gezahlt werden, in dem das Stück erschienen ist. Die Kulturämter haben einen Extraposten dafür. Oft sind die Tantiemen in dem Gesamthonorar enthalten. Das Theater leitet die Tantiemen dann für Sie an den Verlag weiter.

Reisekosten werden meist mit 1.00 DM pro gefahrener km berechnet.

Spesen (für Übernachtung und Verpflegung) meist mit 100 DM/Person. Manchmal wird darum gebeten, eine Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeit bereitzustellen.

GEMA: Als Veranstalter müssen Sie für in der Aufführung gespielte (und geschützte) Musik eine Abgabe zahlen. Meist hat Ihre Stadtverwaltung eine Pauschalregelung getroffen. Lassen Sie sich von der Gruppe die nötigen Daten geben.

Für die meisten freien Theatergruppen müssen Sie an die Künstlersozialkasse die Künstlersozialabgabe abführen. Sie beträgt 1997 für den darstellenden Bereich 5,1 % des Gesamthonorars. Manche Behörden haben mit der KSK eine Pauschalregelung getroffen. Sie sollten die Theatergruppe nach ihrer Rechtsform fragen und um eine detaillierte Rechnung bitten, aus der sich die KSK-Abgabe ergibt.

Hinweise zur Haftung

Wenn die Theatergruppe eine Glastür kaputt macht, ist sie dagegen versichert. Wenn ein Schüler auf die Bühne springt und sich ein Bein bricht, ist er im Rahmen der Schülerversicherung versichert. Wenn ein Schüler einen Scheinwerfer umwirft, müssen seine Eltern bezahlen, wenn sie oder die Schule nicht versichert sind. Wenn der böse Unbekannte das Tonbandgerät der Gruppe stiehlt, ist die Gruppe hoffentlich versichert. Wenn die Gruppe nicht auftaucht und Sie haben dadurch eine finanziellen Schaden, so gibt es darüber meist eine Vereinbarung im Vertrag: z B. "haftet in der Höhe des vereinbarten Honorars".

Überarbeiteter Artikel für die Zeitschrift "Grundschule", Heft 7/8 1986

Copyright Stefan Kuntz 24. Februar 1997





Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 11. Juni 1997

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