Theater für Teenies in Jugendzentren
Tips von : Stefan Kuntz, THEATERDILLDOPP
Es ist wichtig, Theater in Ihr Jugendzentrum einzuladen, weil:
- wenn Kinder nur in ihrer Grundschulzeit Theater erleben und dann lange nicht, dann wird es sehr schwer sein, sie als junge Erwachsene wieder fürs Theater zu begeistern.
- Theater kann als Zusammenführung aller Künste verstanden werden, von Musik, Literatur, bildender und darstellender Kunst.
- Theater ist live, führt zu einem gemeinsamen Erlebnis.
- mein Theater bezieht sich auf Themen, mit denen Teenies zu tun haben,
- mein Theater ist durch meine Mitspielmethode und meine Art, mit den Kids umzugehen, hautnah dran an den Problemen, Sorgen und Hoffnungen der Kids.
- die Kids können ihre Erfahrungen, ihre Vorurteile und Sehnsüchte in die gemeinsame Aktion miteinbringen und im Spiel äußern.
Theater stößt aber auf Vorbehalte der Kids:
Mitten in der Pubertät will man und frau sich seiner sicher sein und werden. Theater verunsichert, denn: was meint der wirklich, der hinter der Rolle steckt?
- Auch die Eltern der Kids dürften in der Regel nicht begeisterte Theatergänger sein. Kids haben - was Theater angeht - keine Vorbilder, von denen sie lernen könnten, wieviel Spaß Theater macht.
- Theater haftet das Image der 'Schule mit anderen Mitteln' an. Das riechen Kids.
- Kids wissen aus den Fernsehshows, daß man/frau nicht normal ist, wenn frau/man mitmacht. Denn man/frau macht sich ja nur lächerlich. Und das tut man nur, sich selbst verletzen, wenn Frau nicht normal oder eben mediengeil ist. Und das kann nicht zusammenkommen mit dem Sich-Seiner-Sicher-Sein-Wollen.
Theater wird für Teenies nur dann zu einem positiven, unterhaltsamen und für sie wichtigen Erlebnis, wenn nicht nur das Theater an sich gut ist, sondern wenn auch die Atmosphäre stimmt.
Was kann getan werden, damit die Chemie stimmt?
Kids wollen nicht mehr wie Kinder behandelt werden. Sie wissen, Kinder werden nicht ernst genommen. Sie wollen also wie Erwachsene behandelt werden.
BEGINN DER VORSTELLUNG: eher später als früher. 16 Uhr ist sicher was für Babys.
ORT: da, wo die großen, die 17-jährigen Jugendlichen sich aufhalten.
Der Raum muß akzeptiert sein. Die Kids sollen sich hintrauen.
EINTRITT: was nichts kostet, ist auch erfahrungsgemäß und nach Erwachsenen-Denken nichts. Es muß also richtig was kosten, wie Kino oder Hamburger. Es kann ja dennoch Freikarten oder ermäßigte Karten oder "Ausnahmen" geben. Es ist gut, wenn sich rumspricht, der X hat Beziehungen, der kann die Karten billiger kriegen. Es wäre falsch, kurz vor Beginn Freikarten an die zu verteilen, die unentschlossen bis motzig rumhängen, nur, weil sie vielleicht kein Geld haben, und man die Vorstellung voll kriegen will. Freikarten sollte es nur zwei Tage vorher geben.
WERBUNG: Eintrittskarten, Plakate mit den Kids am PC gestalten, Werbekolonnen zusammenstellen.
Die Plakate müssen nicht nur schön sein, sondern auch klar sagen, um was es geht: Thema, Zielgruppe, Eintritt, Vorverkauf. Werbung von einem Jeansladen auf dem Plakat ist gut und finanziert den Druck der Eintrittskarten.
Handzettel sollten nicht in den Schulen, sondern vor den Schulen, vor MACDONALD, vor den kommerziellen Diskotheken verteilt werden. Eventuell Gutscheine für ein Gratis-Kaltgetränk verteilen, aber nicht mit Freikarten rumschmeissen.
Beliebte Lehrer sollten nicht sagen: Geht da hin!; sondern: Ich geh da hin, vielleicht sieht man sich. Cool, Mann!
Die beste Werbung ist Mundpropaganda. Ideal wären ein oder zwei Schulaufführungen in Klassen, in denen auch JUZE-Besucher sind, und anschließend die Aufführung im JUZE, so daß sich der positive Eindruck von den Schulaufführungen rumgesprochen haben kann.
Richtig überzeugend können Sie für die Aufführung nur werben, wenn Sie selbst richtig überzeugt sind. Das heißt, Sie müssen vorher die Aufführung gesehen haben. Tja!
Übrigens: Man und frau können auch zuviel Werbung machen. Das kann zu dem Eindruck führen: Das kann ja nix sein, wenn die da soviel Werbung für machen müssen.
PROGRAMMGESTALTUNG: Kulturangebot für Kids aufbereiten, so daß für Kids eine Mitentscheidung an der Auswahl möglich ist. D.h. die Kulturanbieter müssen für Kids aussagekräftiges Material liefern, Fotos, kurze Texte, Plakate. Keine Rezensionen, Kassetten, Videos.
VOLLES HAUS: Die ersten fünf Versuche werden schief gehen, d.h. es werden nicht genug kommen, damit die Chemie stimmt, denn die ist auch abhängig von der Anzahl der Anwesenden, wie gemütlich voll und gefüllt der Raum ist. Aber den Mut nicht sinken lassen, durchhalten!
Also müssen zunächst Theater verpflichtet werden, die auch vor 5 Kids spielen wollen und denen das vorher klar ist.
Oder/auch es sollte eine Schulklasse gewonnen werden, die auf jeden Fall sicher stellt, daß genug da sind, als Grundstock.
Gute Erfahrungen habe ich auch gemacht mit zwei Vorstellungen an einem Tag: vormittags in der Schule , spätnachmittags im Jugendzentrum. Dann kann die Mundpropaganda wirken.
Es muß eine Reihe etabliert werden. Es muß in die Köpfe: alle 2 Wochen mittwochs ist bei uns im JUZE Theater. Theater ausnahmsweise hat überhaupt keinen Zweck.
Wenn im Jugendzentrum 5 Jahre kein Theater für diese Altersgruppe stattfand und ich dann der erste bin, muß das mit mir intensiv besprochen werden und die Veranstaltung muß von seiten des Jugendzentrums intensiv vorbereitet werden. Den Jugendlichen muß erklärt werden, was Theater ist, wie man sich dort verhält. Jugendliche, die noch nie im Theater waren, reagieren verständlicherweise sehr verunsichert und das äußert sich dann meist in "Jokes", "blöden Bemerkungen" oder Randale im Saale.
CATERING: Natürlich muß es was vorher und hinterher zu trinken geben und Musikberieselung auch, klar!
STÖRUNGEN: Bei vielen Theateraufführungen in Jugendzentren und auch in Schulen hat frau den Eindruck, die Schauspieler arbeiten (müssen arbeiten) eher gegen das Publikum, als mit ihm. Ständig Zwischenrufe. Schauspieler werden gereizt.
Wir sollten uns vorher miteinander verständigen, wie wir mit Störungen umgehen. Aber alles läßt sich nicht vorher klären. Prinzipiell: Vieles halt ich aus, bin es gewohnt, und weiß, daß irgendwann die Störungen aufhören, weil mein Publikum gefesselt ist, und dann kann es ein Miteinander geben. Aber mein Ansprechpartner muß ständig da sein und auf Blickkontakt oder Zuruf, die nötigen Dinge tun. Wenn mir jemand auf den Keks geht, wehre ich mich, kurz und heftig.
Keine Ansprache vor Beginn: 'Seid brav...!'
Lieber zwei Tage vorher erklären, wie man sich im Theater verhält, auch auf dem Fußballplatz gibt es Regeln für die Zuschauer: also nicht rauchen, trinken, essen, nicht ungebeten auf die Spielfläche laufen, nicht die Requisiten anfassen, nicht die Bestuhlung verändern, keine Zwischenrufe, Applaus ...
Kein Rein- und Rauslaufen, aber auch kein Abschließen. Wer geht, der geht und kommt nicht wieder. Ordner gegen Rowdies (falls nötig). Unnötige Türen, Fenster, Rolläden zu. Der Raum muß eine geschlossene Atmosphäre bieten, in dem man sich konzentrieren kann.
Pünktlicher Beginn, der Altersbegrenzung Nachdruck verleihen, - all das trägt mit bei zu einer
guten Chemie.
Copyright Stefan Kuntz 24. Februar 1997
Diese Seite wurde zuletzt aktualisiert am 11. Juni 1997